Wahlplakate von BSW und AfD
exklusiv

Thüringen BSW-Kandidat sollte offenbar AfD-Pressesprecher werden

Stand: 29.08.2024 09:16 Uhr

In Thüringen ist die BSW-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl um Abgrenzung zur AfD bemüht. Recherchen von MDR, NDR und WDR zeigen, dass ein Direktkandidat zeitweise in AfD-Mitgliederlisten geführt wurde.

Von Marcel Siepmann, Bastian Wierzioch und Lucas Grothe, MDR, Sebastian Pittelkow, NDR und Katja Riedel, WDR

Eigentlich hatte sich die BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf in Thüringen im Frühjahr eindeutig gegen die Aufnahme von Mitgliedern mit AfD-Vergangenheit in ihren Reihen positioniert. Doch nach Recherchen von MDR, NDR und WDR könnte mit dem Erfurter Direktkandidaten des BSW, Thomas Schmid, ein Mann in den Thüringer Landtag gewählt werden, der 2013 offenbar Pressesprecher der AfD werden sollte.

Laut einem Protokoll und einer Mitteilung an Mitglieder der AfD Thüringen, die den Redaktionen vorliegen, war er 2013 neben Björn Höcke als Pressesprecher der AfD Thüringen im Gespräch. Thomas Schmid, der zur Landtagswahl am 1. September als Direktkandidat des BSW im Erfurter Süden antritt, war bis vor Kurzem Landeskoordinator des BSW in Thüringen und baute den Landesverband mit auf.

Thomas Schmid spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung.

Thomas Schmid bei einer BSW-Wahlkampfveranstaltung. 2013 war er offenbar als Pressesprecher der AfD Thüringen im Gespräch.

Zeitweise Mitgliedsnummer bei der AfD

In den Jahren 2014 und 2015 wurde Thomas Schmid in ebenfalls vorliegenden AfD-Mitgliederlisten unter einer Mitgliedsnummer und seiner Adresse als Mitglied der AfD Thüringen geführt. Laut weiteren Dokumenten, die MDR, NDR und WDR einsehen konnten, wurde Schmid ab Juli 2013 als Mitglied geführt und soll im Januar 2015 wieder aus der Partei ausgetreten sein.

Informationen der Redaktionen zufolge soll für Schmid im entsprechenden Zeitraum zudem ein monatlicher AfD-Mitgliedsbeitrag in Höhe von 15 Euro vermerkt gewesen sein. Dazu äußerte sich Schmid auf schriftliche Anfrage nicht, bestreitet jedoch, Mitglied oder Sprecher gewesen zu sein.

Katja Wolf, mittlerweile Spitzenkandidatin des BSW in Thüringen, hatte im April gesagt, dass keine Personen in die Partei aufgenommen würden, die in der AfD waren. Man sei sich innerhalb des Landesverbandes einig, dass die Aufnahme von Mitgliedern mit AfD-Vergangenheit "das falsche Signal" sei. Auf Anfrage bekräftigte das BSW Thüringen diese Aussage.

Regionalbeauftragter für Mittelthüringen

Thomas Schmid war zunächst als Landeskoordinator des BSW Thüringen mit dem Aufbau des Landesverbands betraut. Seitdem es einen funktionsfähigen Vorstand gibt, arbeitet er als Regionalbeauftragter für Mittelthüringen, ist als Beisitzer im Landesvorstand und tritt als Direktkandidat im Erfurter Süden bei den anstehenden Landtagswahlen an.

In einer eidesstattlichen Versicherung bestätigt ein ehemaliges AfD-Mitglied aus Thüringen die Echtheit der vorliegenden Mitgliederlisten. Ein ehemaliges Vorstandsmitglied erinnert sich, dass damals klar gewesen sei, wer Pressesprecher werden wolle, müsse auch Mitglied der AfD sein.

Gegenüber MDR, NDR und WDR räumte Thomas Schmid ein, Interesse an der Tätigkeit als Pressesprecher der AfD gezeigt zu haben. Ein Mitglied des Bundesvorstandes habe ihn zunächst angefragt. Ob es um die Stelle als Sprecher der AfD im Bund oder der AfD Thüringen gegangen sei, wisse er heute nicht mehr.

Schmid sagte, er habe damals mit Spannung verfolgt, dass sich da eine neue Partei bilde. "Weil ich damals schon der Meinung war, dass sich in der Politik was ändern muss", so Schmid im Interview. Damals hatte er nicht öffentliche Gesprächsrunden unter anderem für Politiker organisiert.

So wie er heute Sarah Wagenknecht zu einem Gesprächssalon eingeladen habe, sei damals auch eine Einladung an das Mitglied im Bundesvorstand erfolgt. Dabei sei ihm das Angebot gemacht worden, Pressesprecher der AfD zu werden.

Treffen mit Vorsitzenden der AfD Thüringen

Daraufhin habe er sich mit dem damaligen Vorsitzenden der AfD Thüringen, Matthias Wohlfahrt, getroffen. Laut einem MDR, NDR und WDR vorliegenden Protokoll schlug Wohlfahrt vor, dass Schmid als Pressesprecher Mitglied im Vorstand werden solle. Dem widerspricht Schmid.

Spätestens nach rassistischen Äußerungen von Björn Höcke habe er sich dagegen entschieden, Pressesprecher der AfD zu werden. Er sei auch nie Mitglied der AfD geworden. Vielmehr sei er von 2003 bis 2016 Mitglied der CDU Thüringen gewesen. Auf Nachfrage bestätigt das die CDU Thüringen.

Schmid bestätigt im Gespräch mit den Reportern die Korrektheit der in der Mitgliederliste eingetragenen Adresse. Allerdings habe er nie einen Mitgliedsantrag gestellt. Wenn die AfD Thüringen ihn als Mitglied eingetragen habe, so Schmid, dann sei dies ohne sein Wissen geschehen.

Möglicherweise hätte man bei der AfD Thüringen etwas falsch verstanden, weil er sich als Pressesprecher beworben hatte, so Schmid. Er habe mitbekommen, dass Listen in der Anfangszeit der AfD handschriftlich geführt worden seien. "Das war ein völlig kruder Haufen."

Einladungen zu Versammlungen per Post

Oskar Helmerich, ehemaliges Mitglied der AfD, hat die AfD Thüringen mit aufgebaut. Er hält es für wenig wahrscheinlich, dass eine Person anderthalb Jahre in den Mitgliederlisten geführt wurde und davon nichts mitbekommen haben will. Auch anderen Spitzenfunktionären in der Partei geht es so. Beispielsweise seien Einladungen zu Versammlungen an jedes Mitglied postalisch verschickt worden.

Auf Anfrage stellt sich die Parteispitze des BSW Thüringen bezüglich der Mitgliedschaft in der AfD hinter Schmid. Man habe keinen Zweifel, dass seine Aussagen der Wahrheit entsprächen. Der Co-Vorsitzende Steffen Schütz erklärte, Schmid habe eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, zu keiner Zeit Mitglied der AfD gewesen zu sein.